Dienstag, 12. November 2013

Sexarbeit mit Ausbildungspflicht?

Manchmal wird der Vorschlag eingebracht, man solle eine Ausbildungspflicht für Sexarbeiter/innen einführen. Dann würde Sexarbeit endlich als Beruf anerkannt, und Ausbeutung könnte eingedämmt werden.

Ich bin natürlich für Weiterbildungsangebote, denn um langfristig erfolgreich Sexarbeiterin zu sein, braucht es zahlreiche Kompetenzen. Das Problem bei einer Ausbildungspflicht ist aber, dass Sexarbeit nunmal im informellen Sektor ist und oftmals eine Survival-Strategie darstellt, und nicht ein Traumberuf. Manchmal ist Sexarbeit nur schwer von privatem Sexualverhalten unterscheidbar. Es gibt unzählige Gelegenheitssexworker und sogar Personen die transaktionellen Sex praktizieren, aber sich nie und nimmer als Sexarbeiter sehen würden. Meiner Einschätzung nach arbeiten viele nur ein paar Jahre oder gar Monate, wenn sie gerade Geld brauchen und dies die beste Option erscheint. In dieser Hinsicht ist es sehr vergleichbar mit Kellnern. Auch dort gibt es gleichzeitig hochqualifizierte Profis und temporär arbeitende Aushilfen. Ausserdem wird in den meisten Ausbildungsberufen die Ausbildungspflicht nicht vom Staat vorgeschrieben. Man darf Massagen gegen Bezahlung anbieten, ohne eine Massageausbildung zu haben- nur darf man dann nicht behaupten, ein Diplom zu besitzen.

Zertifizierungspflichten dienen normalerweise dem Konsumentenschutz, und nicht dem Schutz der Anbieter. Daher nimmt man in Kauf, die Anbieter bei Verstössen zu bestrafen. Wenn aber Ausbeutung eingedämmt werden soll, schafft eine Ausbildungspflicht nur neue Opfer. Was ist mit allen Frauen, die nur für ein paar Monate hier arbeiten und kaum Deutsch können? Soll man die kriminalisieren und somit noch verletzlicher machen? Opfer von Ausbeutung und Gewalt, welche gleichzeitig aber auf ihr Einkommen aus der Sexarbeit angewiesen sind, befinden sich dann in derselben Lage wie illegal anwesende Migrantinnen- sie können sich erst recht keine Hilfe holen, weil sie Sanktionen befürchten müssen. Man schafft neue Erpressbarkeit für Personen, für welche Sexarbeit kurzfristig die beste Option darstellt und welche folglich nicht auf ein Diplom warten können/wollen, evtl. gar nicht die Ressourcen für eine Ausbildung haben. Man schafft neue Gesetze, mit welchen Polizisten Sexarbeiterinnen verfolgen können, wodurch das Misstrauen gegenüber der Polizei steigt bzw. sich nicht verbessert.

Diejenigen, welche die Ausbildung durchführen würden, wären voraussichtlich einheimische Frauen, welche ohnehin schon eine Ausbildung haben, Sexarbeit als langfristige Karriere aus Leidenschaft ansehen und es sich leisten können, trotz Stigmatisierung offen zu ihrem Beruf zu stehen. So lange “Hure” als die schlimmste Beleidigung für Frauen gilt, werden das eher wenige sein. Sexarbeit kann immer noch ein Karrierekiller sein, und zwar unabhängig davon ob man auf einem anderen Beruf hohe Qualifikationen aufweist. Dies dürfte eine Ausbildungspflicht weiter erschweren.

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