Manchmal wird der Vorschlag eingebracht, man solle eine Ausbildungspflicht für Sexarbeiter/innen einführen. Dann würde Sexarbeit endlich als Beruf anerkannt, und Ausbeutung könnte eingedämmt werden.
Ich bin natürlich für Weiterbildungsangebote, denn um langfristig erfolgreich Sexarbeiterin zu sein, braucht es zahlreiche Kompetenzen. Das Problem bei einer
Ausbildungspflicht ist aber, dass Sexarbeit nunmal im informellen Sektor
ist und oftmals eine Survival-Strategie darstellt, und nicht ein
Traumberuf. Manchmal ist Sexarbeit nur schwer von privatem Sexualverhalten unterscheidbar. Es gibt unzählige Gelegenheitssexworker und sogar Personen
die transaktionellen Sex praktizieren, aber sich nie und nimmer als
Sexarbeiter sehen würden. Meiner Einschätzung nach arbeiten viele
nur ein paar Jahre oder gar Monate, wenn sie gerade Geld brauchen und
dies die beste Option erscheint. In dieser Hinsicht ist es sehr
vergleichbar mit Kellnern. Auch dort gibt es gleichzeitig hochqualifizierte
Profis und temporär arbeitende Aushilfen. Ausserdem wird in den meisten Ausbildungsberufen die Ausbildungspflicht nicht vom Staat vorgeschrieben. Man darf Massagen gegen Bezahlung anbieten, ohne eine Massageausbildung zu haben- nur darf man dann nicht behaupten, ein Diplom zu besitzen.
Zertifizierungspflichten dienen normalerweise dem Konsumentenschutz,
und nicht dem Schutz der Anbieter. Daher nimmt man in Kauf, die Anbieter
bei Verstössen zu bestrafen. Wenn aber Ausbeutung eingedämmt werden
soll, schafft eine Ausbildungspflicht nur neue Opfer. Was ist mit allen
Frauen, die nur für ein paar Monate hier arbeiten und kaum Deutsch
können? Soll man die kriminalisieren und somit noch verletzlicher
machen? Opfer von Ausbeutung und Gewalt, welche gleichzeitig aber auf
ihr Einkommen aus der Sexarbeit angewiesen sind, befinden sich dann in
derselben Lage wie illegal anwesende Migrantinnen- sie können sich erst
recht keine Hilfe holen, weil sie Sanktionen befürchten müssen. Man
schafft neue Erpressbarkeit für Personen, für welche Sexarbeit
kurzfristig die beste Option darstellt und welche folglich nicht auf ein
Diplom warten können/wollen, evtl. gar nicht die Ressourcen für eine
Ausbildung haben. Man schafft neue Gesetze, mit welchen Polizisten
Sexarbeiterinnen verfolgen können, wodurch das Misstrauen gegenüber der
Polizei steigt bzw. sich nicht verbessert.
Diejenigen, welche die
Ausbildung durchführen würden, wären voraussichtlich einheimische
Frauen, welche ohnehin schon eine Ausbildung haben, Sexarbeit als
langfristige Karriere aus Leidenschaft ansehen und es sich leisten
können, trotz Stigmatisierung offen zu ihrem Beruf zu stehen. So lange
“Hure” als die schlimmste Beleidigung für Frauen gilt, werden
das eher wenige sein. Sexarbeit kann immer noch ein Karrierekiller
sein, und zwar unabhängig davon ob man auf einem anderen Beruf hohe
Qualifikationen aufweist. Dies dürfte eine Ausbildungspflicht weiter
erschweren.
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