Dienstag, 29. Mai 2012

Themengottesdienst "Wir sind Menschen"


Ein interessantes Interview mit dem Pfarrer Hans Mörtter, der einen Themengottestienst für und mit Sexarbeiter/innen initiiert hat.

Sonntag, 27. Mai 2012

Sexwork and Objectification

Mich stört es, wenn Frauen in jeder Situation sexualisiert dargestellt werden, zb. in der Werbung. Dort schliesse ich mich gerne anderen Kritiker/innen an, welche Objektifizierung anprangern. Wer aber behauptet Sexarbeit sei grundsätzlich objektifizierend übersieht, dass dies auf alle Berufe mehr oder weniger zutrifft. Objektifizierung so wie ich es verstehe bedeutet, dass man jemanden nur als Mittel für etwas betrachtet- funktional, anstatt sich mit der ganzen Person zu befassen. In der Sexarbeit sehe ich nichts falsches daran, als Sexobjekt gesehen zu werden- schliesslich ist es in diesem Zusammenhang auch meine Funktion. Meiner Arbeitsweise entspricht das nicht, da ich hauptsächlich längere Dates anbiete wo man sich zwangsläufig mit vielen Facetten kennenlernt, aber bei kürzeren Dates ist das nunmal so. Genauso wie ich mich auch nicht näher mit meiner Kassiererin befassen möchte- sie soll einfach ihren Job machen.

Objektifizierung in dem Sinne, dass man die andere Person nicht als Mensch ansieht und sich ihr gegenüber Rücksichtslos verhaltet, gibt es natürlich auch bei Sexarbeit- durch die Dehumanisierung von Prostituierten in der ganzen Gesellschaft(zb. durch das Absprechen von Menschenwürde oder gar einer Seele) wohl auch mehr als in anderen Berufen. Aber diese Art der Objektifizierung ist nicht ein intrinsischer Bestandteil der Sexarbeit, sondern reflektiert vielmehr die tiefe Stellung, welche Prostituierten in der Gesellschaft zugesprochen wird.

Hierzu ein Artikel der Sexworkers' Rights-Aktivistin Norma Jean Almodovar


Is sex work objectifying? –
Thoughts from Norma Jean Almodovar

“I have much to say on this whole concept of ‘objectification’. It is one of those esoteric ideas that elitist feminist academics dreamed up because there is no way to prove or disprove that someone objectifies someone else. Equally, even if selling sex does objectify the seller, there is no way to prove if it is emotionally harmful to the objectified individual.

Objectification is the perfect straw man for feminists because there is no way to quantify the alleged psychological damage – if any – occurred. I highly doubt that objectification causes harm as everyone who is objectified by anyone else in any other profession would show some signs of this damage by now.

‘Objectification’ isn’t limited to sex and sex objects but covers a host of situations, including the objectification of domestic servants, wait persons, musicians, show business people, even athletes. We objectify actors and only see them as performers and entertainers, and even though we might want to know about their personal lives, we want them to remain fantasies, upon whom we can have crushes.

I happen to like being objectified – as an artist, writer, etc., and when I was working, I enjoyed being a sex object, because my clients were client objects – some of whom I cared about deeply as friends, but most were in my life because we had a business arrangement. I treated them with respect and dignity and they treated me with respect and dignity, something I don’t get from those fanatic prohibitionists and abolitionists!

Women objectify men, men objectify women. Because that’s the only way we can sort through a complicated life. We cannot have as close personal friends everyone with whom we come into contact, so we have to compartmentalize and objectify people who are only temporarily in our lives and whose interaction with us is very fleeting and impersonal, or sometimes even those who are in our lives regularly. We just don’t have the capacity to process all the data, emotions and feelings required to not objectify those people.

Personally, I don’t have the time or the energy to get to know as human beings those who fix my car, who sell beauty products at the beauty supply store, who clean my clothes at the dry cleaners, who wait on me at the restaurant, my mail carrier etc. And I am sure they don’t have the time or the inclination to get to know me either. So we objectify each other in order to get through a transaction. Sometimes it’s pleasant and we are more friendly toward some than toward others. While one may objectify one’s mechanic, mail carrier, sales person, or server, it does not mean that one treats any of them with disrespect.

So why on earth would a sex worker want her clients to get to know them if the sex worker doesn’t necessarily want to get to know her clients other than as a client objects?

Feminists who use the concept of objectification to argue that all sex work is inherently harmful disregard what sex workers might prefer – to be objectified – and what sex workers do to their clients –objectifying them as money objects – because they presume that sex workers have no intellectual capacity for having a preference. To those feminists, we become ‘rescue objects’ rather than the individuals we are. And we don’t prefer that sort of objectification! At least I don’t.

With all this objectification going on, why aren’t these prohibitionist feminists objecting to all those professions and situations in which somebody is objectified by someone else? Because they don’t care about anyone but themselves and their own hatred of men and of the women who sexually cater to them.”

Norma Jean Almodovar, January 2012

Ich stimme nicht mit ihr überein, dass Abolitionistinnen zwangsläufig Männer hassen (ein haltloser, polemischer Vorwurf), aber ansonsten bringt der Artikel es auf den Punkt.

Samstag, 26. Mai 2012

Undifferenziertes Opferdenken schadet!

Chi Mgako, Professorin am Fordham Law Institute, zur Rede von Kthi Win (via Menschenhandel heute und Mädchenmannschaft:

Vor einem gedämpften Publikum von über 2000 Frauenrechtler_innen aus über 140 Ländern stand Kthi Win, eine Sexarbeiterin und Leiterin einer nationalen Organisation von weiblichen, männlichen und transgender Sexarbeiter_innen in Burma. Mit ruhigem Selbstvertrauen sagte sie:

„Die Hauptforderung der Sexarbeiter_innenbewegung in Burma, in Asien und auf der ganzen Welt ist einfach. Wir fordern die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit. Aber wir haben eine weitere zentrale Forderung, die sich spezifisch an bestimmte Teile der Frauenbewegung richtet. Wir fordern, dass wir nicht als Opfer gesehen werden.“ (Link zur vollständigen Rede)

Die freche Zurückweisung der Opferrolle durch eine Sexarbeiterin, die im Namen der globalen Sexarbeiter_innenbewegung (global sex workers’ rights movement) sprach, geschah anlässlich des kürzlich stattgefundenen Internationalem Forum für Frauenrechte in Entwicklung (AWID International Forum on Women’s Rights in Development), eines der größten Zusammenkünfte von Frauenrechtler_innen auf der Welt. Es war ein außergewöhnlicher Moment, weil es in manchen Teilen der Frauenbewegung eine Tendenz gibt, Sexarbeiter_innen, wie Kthi, auszuschließen, weil sie die monolithische und einfältige Erzählung, dass alle Menschen in der Prostitution auf Rettung warten, bestreitet.


Die Charakterisierung von Sexarbeiter_innen, die für ihre Menschenrechte kämpfen, als „prostituierte Frauen“ (“prostituted women”), die an nutzlosen Versuchen beteiligt seien, die „Versklavten zu organisieren“, ist verblüffend. Fünf Jahre lang haben ich und Studierende mit Sexarbeiter_innen gearbeitet und wir haben uns durch ihre erfolgreiche Organisation vom Rand der Gesellschaft aus inspirieren lassen. Sexarbeiter_innen in Indien, die gegen Missbrauch durch die Polizei kämpfen, arbeiten als Safe-Sex Erzieher_innen und leiten außerschulische Aktivitäten für ihre Kinder. Sexarbeiter_innen in Südafrika leiten eine nationale Kampagne für die Entkriminalisierung von Sexarbeit. Sexarbeiter_innen in Malawi hatten den Mut gegen die Regierung zu klagen und die Verfassungskonformität von erzwungenen HIV-Tests von Sexarbeiter_innen ohne ihre Einwilligung prüfen zu lassen. Und es gibt unzählige weitere Beispiele von sich organisierenden Sexarbeiter_innen in Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und der Karibik, und Nordamerika. Diese Aktivist_innen als „Opfer“ zu etikettieren, die ihre wahre „Versklavung“ nicht verstehen, ist herablassend, entmachtend, und unwahr.

Sie kämpfen mit Kreativität und Handlungsmacht (agency) für ihre Menschenrechte und, der tiefen gesellschaftlichen und rechtlichen Marginalisierung zum Trotz, bilden sie einen Chor der Agitation für das Recht zu arbeiten, das Recht frei von Gewalt zu leben und das Recht auf Zugang zu einer Gesundheitsversorgung.

Frauenrechtler_innen, die alle Menschen in der Prostitution als „Sklaven“ sehen und die keinen Unterschied machen, zwischen jenen, die in die Prostitution gezwungen wurden und jenen erwachsenen Sexarbeiter_innen, die diese Tätigkeit freiwillig und aufgrund eigener Entscheidung oder von Umständen ausüben, fordern meistens Anti-Menschenhandelspolitiken, die erwachsenen Sexarbeiter_innen schaden. Kthi hat persönlich die Folgen von Strategien, wie Bordell-Razzien, erlebt. Diese führen meistens zu wahllosen und willkürlichen Massenverhaftungen von Sexarbeiter_innen führen, in der Hoffnung darunter auch Opfer von Menschenhandel zu finden. Kthi lieferte uns eine viszerale Kritik dieser Politiken:

„Wir leben in der täglichen Angst „gerettet“ zu werden. Die Gewalt, die geschieht, wenn feministische Rettungsorganisationen mit der Polizei zusammenarbeiten, die an unseren Arbeitsorten einbrechen und uns schlagen, uns vergewaltigen und unsere Kinder verschleppen, um uns „zu retten“… Was wir brauchen ist, dass der Mainstream der Frauenbewegung nicht nur still unseren Kampf unterstützt, sondern, dass er für uns eintritt und sich gegen die Extremist_innen äußert, die eine wichtige Bewegung gegen echten Menschenhandel zu einem gewaltreichen Krieg gegen Sexarbeiter_innen gemacht haben.“

Kthis aufschlussreiche Kritik wurde an anderer Stelle wiedergegeben. In Kambodscha wurde ein Gesetz gegen Menschenhandel, das zur Prostitution gezwungene Menschen unterstützen sollte, durch die Polizei manipuliert. Das Gesetz wird als Vorwand genutzt, um Sexarbeiter_innen in Resozialisierung- und Rehabilitierungszentren zu senden, wo sie physischen und sexuellen Missbrauch, sowie fehlende angemessene Verpflegung und Gesundheitsversorgung erfahren. Diese schwerwiegende Situation wurde durch Organisationen, wie Human Rights Watch und Preisträger Asian Pacific Network of Sex Work Projects dokumentiert. Die brutalen Folgen von Bordell-Razzien für Sexarbeiter_innen wurden auch in Thailand, Malaysia, Indien und anderen Orten ausführlich beschrieben.

Wir müssen Sexarbeiter_innen zuhören. Wenn die Frauenbewegung insistiert, weiterhin Menschenhandel mit Prostitution zu vermischen und zu verwechseln und alle Menschen in der Prostitution als Sklaven zu beschreiben, die nicht in der Lage sind in ihrem Namen zu sprechen, werden wir uns vor wichtigen Kritiken abschotten. Diese Kritiken stellen die Methoden in Frage, die angeblich Sexarbeiter_innen helfen, aber unmittelbar zu weiteren Rechtsverletzungen führen. Die Frauenbewegung sollte keine Politiken unterstützen, die weibliche, männliche und transgender Sexarbeiter_innen schaden. Am Ende ihrer Rede, drückte Kthi diese Einschätzung aus, indem sie den cri de coeur der globalen Sexarbeiter_innenbewegung wiederholte: „Nichts über uns, ohne uns“

“Nothing about us, without us.”

Chi Mgako konzentriert ihre Forschung auf Menschenrechte in Afrika. Traurigerweise ist die oben genannte Situation- Polizeigewalt gegen Sexworker- aber nicht nur in Entwicklungsländern anzutreffen, sondern durch die Kriminalisierung gerade in den USA alltäglich. Polizisten nutzen ihre Machtposition um Prostituierte zu vergewaltigen, oder gebrauchen bei Verhaftungen übermässige physische und psychiche Gewalt. Darauf machen Menschenrechtsorganisationen meines Wissens nur selten Aufmerksam.