Sonntag, 16. August 2009

"Diese Frauen sind nicht naiv"

http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/diese_frauen_sind_nicht_naiv_1.3196618.html

Ein Interview mit Laura Maria Augustin, wo sie gängige Klischees über Migrantinnen, welche als Prostituierte arbeiten, kritisiert. Der Artikel hat zu viele zitierenswerte stellen, aber hier mal ein Auszug, der nur einen Aspekt der Problematik anspricht:

Interviewer: Frau Agustín, Sie schreiben in Ihrem Buch, der vorherrschende Diskurs über Prostitution sei geprägt von einem «fundamentalistischen Feminismus». Was meinen Sie damit?
Laura María Agustín: Damit meine ich Feministinnen, die davon ausgehen, dass Frauen über alle kulturellen und sozialen Grenzen hinweg eine gemeinsame Essenz und ein gemeinsames Schicksal teilen: nämlich Opfer der männlichen, sexuellen Gewalt zu sein. Frauen sind für sie generell Opfer und Prostituierte ganz besonders. Prostitution heisst für diese Art Feministinnen Vergewaltigung, und also müssen die Prostituierten gerettet werden. Diese Axiome zu leugnen, ist für sie gleichbedeutend mit einer Leugnung des Holocaust, denn auch hier geht es angeblich um eine Art Genozid: an den Frauen. Das Leiden und der irreparable Schaden, der durch Sex ohne Liebe verursacht wird, ist für sie mit keinem andern Leiden zu vergleichen. Das sind Vorstellungen von weissen, christlichen Mittelstands-Frauen, die dann auf die ganze Welt projiziert werden.

Hier spricht sie einen sehr wichtigen Punkt an: Die eigenen Idealvorstellungen über Sexualität auf andere zu übertragen. Besonders schlimm ist dies dann, wenn Menschen, die nicht die gleichen Vorstellungen haben als seelische Krüppel und psychisch Gestörte hingestellt werden. Doch genau dies ist es, was einige fundamentale Feministinnen tun: Prostituierte hätten eine zerstörte Seele, schliesslich kann keine psychisch Gesunde Frau Sex ohne Liebe "ertragen".
Solche Aussagen dienen dazu, Prostituierte als unglaubwürdig hinzustellen. Mit einer psychisch Kranken kann man schliesslich Mitleid haben, sie "retten" (notfalls auch gegen ihren Willen), aber man muss ihr Gesagtes nicht ernst nehmen, denn die Arme ist verblendet und kann keinen klaren Gedanken fassen.
Daneben bezeugen solche Worte einen Sexismus, wie ich ihn selten sehe.. Frauen, die Sex mit fremden Männern mögen/nicht ganz schrecklich finden sind psychisch gestört? Hallo Geschlechterklischees und Kontrolle der weiblichen Sexualität.

2 Kommentare:

illith hat gesagt…

also ich finds nicht angemessen, "prostitution" mit "sex ohne liebe" gleichzusetzen...
also mir rollen sich ja immer die zehennägel hoch, wenn bestimmte feministinnen dreist behaupten, wie sex ohne liebe/beziehung im grunde gegen die "natur der frau" gehen würde. da könnte ich jedesmal ausflippen.
aber prostitution ist doch nochmal ne andere geschichte als 'einfach nur' unverbindlicher sex zwischen freundInnen/fremden/bekannten?!
also was ich (glaub ich^^°) sagen will: man kann prostitution kritisieren und trotzdem 'unverbindlichen sex' gutheißen, ich finde das differenzierungswürdig.

Sina hat gesagt…

Stimmt, ist nicht dasselbe. Bei vielen läuft die Kritik jedoch darauf hinaus, dass Sex stets an Liebe gekoppelt sein muss und es durch das fehlen davon oder in Verbindung mit einer weiteren Transaktion irgendetwas Niederträchtiges wird.