Dienstag, 18. Februar 2014

Die "Zuhälterlobby"

Hinter Sexarbeiterinnen, Sexworker- Organisationen und Hilfsstellen verbergen sich eigentlich Zuhälter (wenn sie sich für Dekriminalisation von Sexarbeit einsetzen). Dieser völlig haltlose Vorwurf ist unter aller Sau, da er eine sachliche Diskussion verunmöglicht. Nicht die Argumente, sondern die Person/Organisation welche sie äussert wird angegriffen. Egal, was man für Argumente vorbringt, es spielt keine Rolle, denn man ist sowieso nur eine Marionette für Zuhälter (bzw. selbst Zuhälterin). In ihrem Buch "Prostitution- ein Deutscher Skandal" behauptet Alice Schwarzer zum Beispiel, dass Hilfsorganisationen für Sexarbeiterinnen wie Dona Carmen und Madonna Wirklichkeit von Menschenhändlern finanziert seien, da sie anderer Meinung sind als sie selbst. Also: Alle Fachstellen und Hilfsorganisationen, welche sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen einsetzen (und das sind die meisten), sind eine von Zuhältern und Menschenhändlern geleitete "Pro-Prostitutionsfront". Für Organisationen, welche aus Sexarbeiter/innen selbst bestehen, gilt das natürlich erst Recht.

Selbstverständlich sollten Sexworker-Organisationen nur aus Sexarbeiter/innen bestehen. Hier wird aber oft übersehen, dass einige aktuelle und ehemalige Sexarbeiterinnen gleichzeitig auch Geschäfts- oder Agenturleiterinnen sind. Wenn man ignoriert, dass die Erotikbranche eben eine Branche ist und auch wie eine solche funktioniert, wird eine künstliche und unrealistisch strikte Trennung zwischen Sexarbeiter/innen und anderen Leistungserbringern (Vermieter, Bordellbetreiberinnen, Vermittler) bewirkt. Eine gewisse Überlappung ist in jeder anderen Branche völlig normal- Köchinnen werden zu Restaurantbesitzerinnen, Bauarbeiter knüpfen Kontakte und fangen an, Kollegen zu vermitteln. In der Erotikbranche kommt hinzu, dass es für ehemalige Sexarbeiterinnen aufgrund der Stigmatisierung sehr schwer sein kann, einen anderen Job in einem anderen Bereich finden. Da ist es umso naheliegender, dass man sich auf die Branche besinnt die man kennt, beim Wunsch nach einem Berufswechsel z.B. ein eigenes Erotikstudio eröffnet, und anstatt der erotischen Dienstleistung die administrativen Aufgaben übernimmt.

Dass Sexarbeiter und andere Leistungserbringer der Erotikbranche manchmal entgegengesetzte Interessen haben, ist klar. Vermieter wollen zum Beispiel möglichst hohe Mieten kassieren, während Sexarbeiter möglichst tiefe wollen. Sie haben aber einen ganz gewichtigen Punkt gemeinsam: Nämlich die Diskriminierung aller, welche in dieser Branche tätig sind. Die Stigmatisierung und Diskriminierung trifft die Sexarbeiterinnen selbst immer am härtesten, aber auch Bordellbetreiberinnen können durch Behördenwillkür ihre wirtschaftliche Existenz, in welche sie viel investiert haben, verlieren. Daher ist es kein Wunder, dass sich die Interessen von Sexarbeiterinnen und seriösen Betreibern oft auch überlappen. Wer hingegen NICHT von Dekriminalisierung profitiert, sind Menschenhändler und Ausbeuter. Wenn Sexarbeiterinnen nicht Angst vor der Polizei haben (müssen), verlieren Zuhälter. Wenn eine Sexarbeiterin nicht befürchten muss, dass ihr Arbeitsort gestürmt und geschlossen wird, wenn sie eine Vergewaltigung oder betriebliche Missstände anzeigt, wird sie sich viel eher wehren. Dasselbe gilt, wenn ihre Kunden (die Quelle ihres Einkommens!) verfolgt werden. Kein ausgebeuteter Arbeitnehmender will mit einer Anzeige  erreichen, dass er seine Arbeitsstelle und sein Einkommen endgültig verliert (und seine Kollegen mit ihm). Kriminelle profitieren NICHT davon, wenn Sexarbeiterinnen für ihre Rechte kämpfen. Denn mit dem Stopp der Diskriminierung fordern Sexarbeiter gleichzeitig echten Schutz gegen Ausbeutung, auch im Sinne des Arbeitsrechts. Bis heute gibt es kaum Bemühungen tatsächlich gegen Ausbeutung vorzugehen, z.B. gegen überrissene Zimmermieten oder Alkoholzwang. Stattdessen werden grundlegende Rechte von Sexarbeiterinnen unter dem Vorwand, es sei doch alles zu ihrem Besten, eingeschränkt. Wie zum Beispiel in Soho (London), wo Sexarbeiterinnen nach Verdacht auf Menschenhandel von dutzenden Polizisten  auf die Strasse getrieben wurden, während Journalisten sie in Unterwäsche fotografierten und filmten. Im Anschluss wurden sie- selbstverständlich zu ihrem eigenen Schutz- ohne Entschädigung ihres Wohn- und Arbeitsortes beraubt.
 

5 Kommentare:

Sylvia Epaillard hat gesagt…

Hallo Sina,

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Sina hat gesagt…

Danke für die Einladung. Da ich derzeit hauptsächlich Sexarbeiterinnen und andere Menschen die sich ohnehin bereits mit dem Thema auskennen erreiche, nehme ich das Angebot gerne an.

Anonym hat gesagt…

Ich habe Schwarzer`s Buch nicht gelesen, aber die Behauptung Hilfsorganisationen wie Dona Carmen oder Madonna seien von Menschenhändlern finanziert ist etwa genauso unsinnig, wie wenn hier in der Schweiz jemand behaupten würde Beratungsstellen für Prostituierte wie der Verein Xenia in Bern oder Isla Victoria in Zürich seien von Zuhälterlobbys finanziert. Wenn diese Behauptungen von Frau Schwarzer zutreffen würden, dann hätte sich der Staat mehr als 20 Jahre lang zum Mittäter gemacht. Er hätte de facto kriminelle Organisationen unterstützt und zugelasssen. Mit Steuergeldern mitfinanziert. Ich war bei der ersten Hurenbewegung dabei. Als Sexareiterin und als Vorstandsmitglied von Xenia. Ich war Ich habe noch Gründerinnen von Hydra und anderen deutschen Hilfsorganisationen gekannt. Wir haben zuerst am Rand der ersten Weltaidskongresse getroffen, dann in Frankfurt am ersten eigenen Kongress, in Berlin am Hurenball. Und das soll ich mir alles geträumt haben. Bloss, weil so eine Altfeministin daher kommt und behauptet, wir seien alle Opfer. Schon damals gewesen oder handelten im Interesse von Zuhältern und Menschenhändlern. Uns als Opfer und gleichzeitig Täterinnen hinzustellen diskreditiert auch jene für die einige von uns gearbeitet haben. Die Deutsche Aids-Hilfe, die Aids-Hilfe Schweiz, die Gesundheitsministerien beider Länder. Wie konnten diese staatlich subventionierten Institutionen so verantwortungslos sein und Frauen wie uns Projekte und Mandate, die sich an die öffentliche Gesundheit richtete, uns an internationale Aidskongresse schicken, wo wir doch alles seelische Krüppel sein müssen und verbandelt mit kriminellen Organisationen. Hat eigentlich ein Journalist je darüber nachgedacht, was da Unsinniges in allen Medien verbreitet ausgehend von Emma und ein paar Moralistinnen verbreitet wird? Machen PolitikerInnen keine Gedanken darüber, dass mit diesen Behauptungen ihre eigenen Behörden diskreditiert werden?
Brigitte Obrist, Ehemalige Sexarbeiterin Schweiz

Anonym hat gesagt…

Arbeitgeber werden Mitglied im Arbeitgeberverband, während Arbeitnehmer_innen Mitglied in der Gewerkschaft werden. Sexworkerorganisationen bestehen nachweislich aus Prostituierten (teilweise unter 1%), Betreiber_innen und wer sonst noch Böcke hat, Freier zum Beispiel.

Was Dona Carmen angeht sitzen da bspw. auch kaum Sexarbeiterinnen, wenn man sich die Mitglieder anschaut tummelt sich da alles vom Lehrer über die Sozialpädagogin usw.

Sina hat gesagt…

Dona Carmen ist keine Sexworkerorganisation, sondern eine Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen. Meines Wissens hat Dona Carmen auch nie behauptet, ein Zusammenschluss von Sexarbeiterinnen zu sein.