Dienstag, 10. Dezember 2013

Fachstellen und Sozialarbeiterinnen gegen Repression


Wer sind die Experten für Sexarbeit? Selbstverständlich die Sexarbeiter/innen selbst. Jedoch glaubt man ihnen oft nicht (Disqualifikation als Diskussionspartner), und aufgrund der Stigmatisierung getraut sich nur eine Minderheit, mit Name und Gesicht öffentlich für ihre Rechte einzustehen. Deshalb treten Fachstellen und Sozialarbeiter/innen für Sexarbeit, Migration & Menschenhandel als zweitbeste Informationsquelle hervor, um herauszufinden was Sexarbeiter/innen wirklich wollen und brauchen, und wie man Menschenhandel bekämpfen und den Opfern helfen kann. Die meisten Fachstellen fordern die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit, und das Ende von rechtlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung und Stigmatisierung gegen Sexarbeiter/innen. Dazu muss man aber beachten, dass Beratungsstellen mit einem grossen Teil der Sexarbeiter/innen NICHT in Kontakt kommen- nämlich denjenigen, die selbstbestimmt und ohne Probleme tätig sind, und folglich keine Hilfe benötigen. Seriöse Sozialarbeiter/innen sind sich dessen bewusst, und schliessen nicht von ihrem Arbeitsalltag auf die gesamte Bandbreite der Sexarbeit. Linkliste für Beratungsstellen: 


Deutschland


Bundesweiter Koordinationskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess  Von der Homepage: Der KOK e.V. legt besonderen Wert darauf, dass sorgsam zwischen Prostitution und Frauenhandel unterschieden wird. Frauen, die sich freiwillig prostituieren, treten wir mit Respekt und Achtung entgegen, wir stigmatisieren sie nicht und wollen, dass die freiwillige Prostitution als persönliche Entscheidung einer jeden Prostituierten anerkannt wird. Prostituierten per sé das Recht abzusprechen, freiwillig zu arbeiten, missachtet ihre Selbstbestimmung und eigene Verantwortung.

BufasBündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, Aus der Satzung: Bufas setzt sich ein für
- die dauerhafte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern
- die rechtliche und soziale Gleichstellung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern mit anderen Erwerbstätigen
- die Gleichstellung der Sexarbeit mit anderen Erwerbstätigkeiten
- die Entkriminalisierung der Sexarbeit und Entstigmatisierung der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter

Ban Ying, Koordinations- und Beratungsstelle gegen Menschenhandel, hat den Appell für Prostitution: für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit  des Berufsverbandes für erotische und sexuelle Dienstleistungen unterschrieben.

Deutsche Aidshilfe "Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) lehnt den von der „Emma“-Herausgeberin initiierten „Appell gegen Prostitution“ und Rufe nach Bestrafung der Kunden und Kundinnen ab."

Interview mit Emiljia Mitrovic, Sozialwissenschaftlerin und Leiterin des Ratschlag Prostitution - Zusammenschluss von Hilfseinrichtungen für Prostituierte: "Die rechtliche Ebene ist nicht das Problem, sondern die gesellschaftliche Akzeptanz. Es muss mehr Forschung und mehr Öffentlichkeitsarbeit geben. Wenn Frauen selbstbewusster auftreten und sich weniger stigmatisiert fühlen, können sie sich auch besser gegen Ausbeutungsverhältnisse wehren. Die Tendenz, alle SexarbeiterInnen zu Opfern zu erklären, ist hingegen absolut kontraproduktiv"

Dortmunder Mitternachtsmission e.V.,  hat den Appell für Prostitution unterschrieben. Die Mitternachtsmission sieht Prostitution zwar als schädlich an, erkennt aber, dass ein Grossteil dieser Schädlichkeit durch die Stigmatisierung von Sexarbeiter/innen und Sexarbeit entsteht.

Ragazza, Hilfe für drogenabhängige und sich prostituierende Frauen, fordert: Aufklärung und Prävention statt Repression, Keine Verdrängung der Prostitution in andere Stadtteile, Akzeptanz und Toleranz statt Verdrängungspolitik, Freie Berufswahl.

Madonna  e.V., Treffpunkt und Beratung für Sexarbeiterinnen: Sexarbeit ist eine höchstpersönliche Dienstleistung, über deren Inhalt und Ausmaß nur die Prostituierten selbst entscheiden. Sexarbeit kann selbständig und in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt werden. Voraussetzung sind einvernehmliche Verträge zwischen den Beteiligten und die Einhaltung gesetzlicher Mindestvorgaben.

Regenschirm e.V.: Unseren Zielen übergeordnet ist der Gedanke, dass die Prostitution mit anderen Berufen der Arbeitswelt gleichgestellt sein sollte.
 
Phoenix, Kassandra e.V., Nachtfalke und KOBER, Beratungsstellen für Prostituierte, : Haben den Appell für Prostitution unterschrieben. Dasselbe gilt für zahlreiche Sozialarbeiterinnen der Beratungsstelle für Migrantinnen in Herne, welche auf Menschenhandel spezialisiert ist.

Nitribritt, Treffpunkt und Beratung für Prostituierte: Der Verein setzt sich in der Tradition der Hurenbewegung für die Interessen der SexarbeiterInnen ein. Nitribitt e.V. unterstützt, fördert und veranstaltet Aktivitäten gegen die Diskriminierung von Prostituierten.

Relativ bekannt sind  Dona Carmen , Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten und Hydra, Treffpunkt und Beratung für Prostituierte.

Schweiz


Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ), Rundbriefe Sexarbeit ist Arbeit und Sexarbeit: Anerkennung statt Repression:Die Repressionen verschlechtern nicht nur die Situation von Sexarbeiterinnen. Sie haben auch negative Folgen für den Kampf gegen Menschenhandel. Mit den repressiven Regelungen fokussiert nämlich der polizeiliche Blick nicht mehr auf eine potenzielle Opfersituation, sondern auf illegalen Aufenthalt oder illegale Arbeitstätigkeit. Bevor Opfer erkannt werden und ihre Rechte in Anspruch nehmen können, werden sie somit kriminalisiert und ausgeschafft."

ProKoRe, schweizerisches Netzwerk zur Verteidigung der Rechte von Personen, welche im Sexgewerbe arbeiten: "Das Sexgewerbe eine Realität ist, welche nicht abgeschafft werden kann, weder durch Gesetze noch Reglemente. Verschärfte Gesetze würden die Illegalität und Randständigkeit verstärken. Durch verschärfte Gesetze würden die Zonen des Rechtlosen, der Ausbeutung und der Gewalt in verschiedenster Art begünstigt. Die Situation der SexarbeiterInnen würde unsicherer und die Bemühungen um die Förderung der Gesundheit und der Solidarität schwieriger."

Hier eine Talkshow mit Brigitte Obrist (ehemaligen Sexarbeiterin und Projektleiterin bei der Schweizer Aidshilfe und der Sexarbeits- Beratungsstelle XENIA), Lea Bösiger (Sozialarbeiterin bei Isla Victoria, Beratungsstelle für Sexarbeits- Migrantinnen der Zürcher Stadtmission)


Ausschnitte aus der Diskussion (sinngemässe Zitate):

Brigitte Obrist ab 22:50 "Ihr beobachtet von Aussen etwas, das ihr nie selbst gemacht habt, und projiziert etwas hinein. Das Vorspielen der eigenen Lust hat mir Spass gemacht, als wäre ich eine Schauspielerin auf der Bühne. Der wichtigste Schutz für Sexarbeiterinnen ist ein Umfeld, in denen andere Frauen ihnen beibringen können, wie sie sich wehren sollen, wo man aufeinander achtet. Das war früher als Förderung der Prostitution verboten (...) Durch die Prostitution habe ich sehr genau gelernt was ich beim Sex will, wo meine Grenzen sind."

Lea Bösiger ab 31:10 "Wir sind eine Beratungsstelle, die sich vor allem an Migranten richtet. Die meisten Frauen haben natürlich monetäre Gründe. Es kursieren wahnsinnige Zahlen, dass 90% diesen Beruf nicht gerne machen. Wir machen diese Erfahrung nicht. In unserem Büro kommen täglich etwa 120 Frauen vorbei. Es gibt Zeiten in denen die Frauen den Job nicht gerne machen, zum Beispiel während der Wechseljahre oder wenn sie den Job schon 30 Jahre gemacht haben. Aber mal ehrlich, ich kenne fast keinen Beruf, den die meisten nach 40 Jahren immer noch mit Begeisterung ausüben. Im Allgemeinen machen die Frauen den Beruf gerne. Wir haben auf 1000 Frauen etwa 10 Frauen, die den Job nicht freiwillig machen. Wir sind eine Anlaufstelle für Sexarbeiterinnen, d.h. diejenigen kommen zu uns die Probleme haben. Wenn jemand keine Probleme hat, kommt sie natürlich nicht zu uns."

Alexander Ott (Polizist) 34:40 "Ich sehe die ganze Palette der Sexarbeiterinnen, die sich anmelden. Dieses Jahr habe ich etwa 800 Anmeldungsgespräche geführt. Es gibt viele Frauen, die freiwillig kommen und Geld verdienen wollen, die sagen das will ich machen. Manchmal sind es sogar Akademikerinnen die sich sagen, ich komme ein paar Monate in die Schweiz und verdiene Geld. Das ist eine Realität, das kann man nicht wegdiskutieren."

Noch eine zweite Talkshow mit Martha Wigger, Stellenleiterin von XENIA, Anlaufs- und Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen. "Ein Verbot der Prostitution ist für Sexarbeiterinnen und Gesellschaft kontraproduktiv. Wir haben tausende von Klientinnen, und die meisten von ihnen sind wirklich wütend. Sie fragen: Weshalb will man schon wieder auf uns los? Oberflächlich kann gesagt werden, dass die Prostituierten nicht bestraft werden. Aber sie verlieren ihren Job, verlieren ihr Einkommen wenn Freier bestraft werden (...) Wir haben keine genauen Zahlen. Aber in der Schweiz gibt es doch viele Beratungsstellen, die tagtäglich mit Sexarbeiterinnen zu tun haben. Unsere Erfahrung ist: Je mehr Hürden man den Sexarbeiterinnen aufstellt (Business-Plan, Registrierung etc), umso schwerer wird es, sie zu erreichen, da viele illegal arbeiten werden. Ganz wichtig ist auch zu erwähnen, dass unserer Erfahrung nach Kunden sich immer wieder an Beratungsstellen wenden, wenn sie einen Verdacht auf Menschenhandel haben."

Selbst die Heilsarmee, welche Sexarbeit als "Vermarktung und Ausbeutung der Frau" ansieht, spricht sich gegen Repression aus. Zur Situation in Zürich: "Viele der Dirnen seien verzweifelt, sagt Christine Hauri von der Rahab-Arbeit der Heilsarmee. „Die Frauen wissen im Moment nicht, wo sie hinsollen“, sagt sie. Und hat eine Lösung parat. „Warum wird nicht ein Strassenstrich im Kreis 4 zugelassen? Lange nicht alle Vertriebenen haben eine neue Bleibe gefunden.“ Regula Rother, Leiterin der Zürcher Stadtmission, sieht die Sache ähnlich: „Gut finden wir die Entwicklung nicht.“ Auch sie hält einen Strassenstrich im Kreis 4 für eine gute Idee. Das Problem aus Sicht von Hauri und Rother: Wenn die Frauen nicht mehr zentral organisiert sind, wird es für sie schwieriger, aufeinander aufzupassen. Sie seien anfälliger für Gewalt und Ausbeutung. Hauri.“

Maritza Le Breton und Eva Büschi, Professorinnen an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Olten in der Tageswoche vom 20.2.2012: Bessere Arbeitsbedingungen, so das Fazit der beiden Professorinnen nach ihrer Studie, liessen sich nur durch rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung der Prostitution erreichen. «Aus einer nüchternen und sachlichen Perspektive heraus ist es schliesslich eine Arbeit wie jede andere», sagt Le Breton, «eine Dienstleistung mit dem Produkt Sex als Angebot».

Aspasie, Gemeinnütziger Verein von und für Prostituierte in Genf: "Parler de travail du sexe permet de repenser cette activité sous l’angle du contrat, d’amélioration des conditions de travail, et de la capacité des travailleuses du sexe à négocier les différents aspects de leurs services (actes, tarifs et durée). Parler de travail du sexe autorise à poser des actions en regard des droits des travailleuses: le droit de travailler en santé et en sécurité, le droit de ne pas être violentée, harcelée ou discriminée, le droit de s’associer avec d’autres pour se protéger, le droit à la dignité et à l’intégrité de sa personne."

Österreich


Sophie, Bildungsraum für Prostituierte: "Ausgehend davon, dass der Sexmarkt kaum eingeschränkt und schon gar nicht vermieden werden kann, ist es daher der beste Weg, genügend legale Arbeitsmöglichkeiten zuzulassen und diese so zu regulieren, dass neben anderen berechtigten Interessen (z. B. der AnrainerIn-nen) insbesondere auch Arbeitsbedingungen von SexdienstleisterInnen im Fokus stehen."

Interventionsstelle für Betroffene von Menschenhandel (LEFÖ/IBF): "Wir sprechen von Sexarbeit, um einen akzeptierenden und unterstützenden Zugang gegenüber sexuellen DienstleisterInnen (mehrheitlich Frauen, aber auch TransGender-Personen und Männer) begrifflich zu transportieren.
Wir sprechen auch von Sexarbeit, um den Fokus auf die Arbeit zu richten, die erbracht wird und auf entsprechende Forderungen nach umfassenden Arbeits- und Sozialrechten für SexarbeiterInnen. Wir sprechen zudem von Sexarbeit, um die Heterogenität der Arbeitsstätten und Arbeitsweisen in der Sex-Industrie zu verdeutlichen."

Caritas/LENA:  „Wichtig ist uns auch die öffentliche, sachliche Information und Diskussion zum Thema, anstelle weiterer Diskriminierung, Stigmatisierung, Kriminalisierung, Skandalisierung und Ausgrenzung von Sexualdienstleistern“

Maiz, autonomes Zentrum von & für Migrantinnen:  "Ein zentraler Arbeitsbereich von maiz ist die Zusammenarbeit mit Migrant_innen, die in der Sexarbeit tätig sind. maiz setzt sich für die Anerkennung von Sexarbeit als Erwerbsarbeit ein und kämpft somit gegen die Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung von Personen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten."

Frauenservice SXA:  Mitglied der internationalen Netzwerke NSWP und ICRSE (International Committee on the Rights of Sex Workers in Europe), welche sich gegen rechtliche/gesellschaftliche Diskriminierung von Sexarbeiterinnen einsetzen.

iBUS, Beratung und Unterstützung für Sexarbeiterinnen, lehnen die Kriminalisierung von Kunden und andere Forderungen von Prostitutionsgegnern vehement ab, da dies nichts anderes bedeutet, als Sexarbeiter_innen ihre Existenzgrundlage zu entziehen. Hier ein gutes Interview von Christine Nagl,  Mitarbeiterin bei PiA und iBUS.

International


Tampep, European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion among Migrant Sex Workers:"The undeniable presence of migrant female sex workers, including transgender sexworkers, in Western Europe requires a transformation in the thinking around women’s migration. Migrant sex workers should be considered as part of the labour migration of women rather than thinking of all migrant sex workers as victims of trafficking and sexual slavery."

UNAIDS "Evidence indicates that where sex workers are able to negotiate safer sex, HIV risk and vulnerability can be sharply reduced. The guidelines call for voluntary periodic screening and treatment of STIs for sex workers to both improve their health and control the spread of HIV and STIs"

Indoors Project der Europäischen Union, Aus pictures of a reality: Sex work is work and a profession; sex workers are workers and must be recognised as such.
We demand the protection of our labour, social and human rights on an equal footing with other workers, especially social rights such as access to social security, health care and minimum wages. Sex work is by definition consensual sex. Non-consensual sex is not sex work; it is sexual violence or slavery.

Global Network of Sex Work Projects hat auf allen Kontinenten zahlreiche Mitglieder. Zu den Mitgliedern gehören viele Grassroots-Beratungsstellen, welche von Sexarbeiter/innen selbst gegründet worden sind, z.B Desiree Alliance aus Australien,  Aus der Homepage: "The standard paradigms through which sex work is currently viewed – AIDS, trafficking, and violence against women – fail to fully address the human rights of sex workers. It is therefore crucial that sex workers represent their own realities and fully participate in dialogues and decision making about issues that affect them."

Global alliance against traffick in women (GAATW): "GAATW applies a Human Rights Based Approach to address trafficking issues, which means: (...) Non-discrimination on any grounds, including – singly or in combination - race, ethnicity, descent, sexual orientation or gender identity, religion, gender, age, migrant status, national or social origin,  birth or other status, or occupation (including work in the informal sectors such as domestic work, sex work, etc.)" Hier findet man ausserdem zahlreiche Ressourcen zur Forschung über Menschenhandel und Best Practices für Massnahmen gegen Menschenhandel.

La Strada International- European network against trafficking in human beings:  "We believe that violence against sex workers needs to be addressed by protecting their rights and investigating and prosecuting all violent offences against anyone working in the sex sector. However, this approach to end violence against sex workers is hard to put into practise if sex work itself is considered as violence against women (!!!) Equating sex work with violence against women leads to criminalising the industry, clients and sometimes even sex workers themselves. As a consequence, sex workers are not recognised as rights holders and are deprived of the tools to protect themselves from violence and seek redress."

World Health Organization WHO:  Contextual factors such as stigma and poverty may further exacerbate sex workers' vulnerability to HIV. Sex workers should be proactively involved in programme design and delivery.


Weitere Links folgen- ich nehme auch gerne Vorschläge entgegen. 

Montag, 9. Dezember 2013

Disqualifikation von Sexarbeiterinnen

Es ist klar, welche Strategie Alice Schwarzer und andere Prostitutionsgegner fahren: Disqualifikation von Sexarbeiterinnen als Subjekte auf gleicher Augenhöhe. Hier ein Artikel der Soziologin Laura Augustin dazu.

Schwarzer besteht darauf, dass alle Sexarbeiterinnen entweder Opfer von Menschenhandel sind, oder in der Kindheit Erfahrungen mit sexueller Gewalt gemacht haben. Was für eine Nachricht an alle Opfer sexueller Gewalt: HAHA, ihr seid nicht mehr richtig im Kopf und dürft deshalb nicht mehr mitdiskutieren, nichtmal über euer eigenes Leben (ausser natürlich, ihr habt die gleiche Meinung wie ich- dann seid ihr Vorzeigeopfer und habt was wichtiges zu sagen). Und wenn dann eine Sexarbeiterin durch ihr Selbstbewusstsein so überzeugt, dass sie nicht mehr als bemitleidenswertes Opfer gelten kann, wird sie zur Täterin gemacht. Eine Menschenhändlerin und Ausbeuterin, die vom Leid der angeblich grossen Massen von Zwangsprostituierten profitiert.

Keine Sexarbeiterin will, dass ihren Eltern unterstellt wird, sie hätten sie als Kind missbraucht oder dies geschehen lassen. Wenn man tatsächlich missbraucht worden ist, möchte man das nicht unter die Nase gerieben bekommen. Und keine will als psychisch krank und unmündig gelten, vor allem wenn sie ein soziales Umfeld, Kinder und einen anderen Job haben. Und so werden weiterhin diese Vorurteile verbreitet, damit sich auch ja möglichst wenige Sexarbeiterinnen getrauen, öffentlich für sich selbst einzustehen. Bei Sexarbeit wirken diese Vorurteile im Vergleich zu anderen sexuellen Minderheiten wie Homosexuellen besonders gut. Homo- und Bisexuelle haben oftmals ihr Leben lang ihre sexuelle Orientierung. Sie sind daran gebunden und können nicht einfach "aussteigen". Daher lohnt es für sie, zu kämpfen. Für viele Sexarbeiterinnen ist Sexarbeit aber nur ein Job. Etwas, das sie ein paar Jahre machen um ihre Familie zu ernähren und Schulden abzubezahlen, oder aus Abenteuerlust- um danach auszusteigen. Später weiss niemand, dass sie jemals Sexarbeiterinnen waren. Für diese Frauen bedeutet ein Outing, dass sie ihre bürgerliche Zukunft zerstören. Der Schaden eines Outings und Richtigstellung der Vorurteile ist für eine einzelne (ehemalige) Sexarbeiterin gross, der Nutzen klein. Schwarzer und Co. unternehmen alles, damit dies auch so bleibt. Und diejenigen Sexarbeiterinnen, die sich wehren, werden als Opfer oder Täterinnen disqualifiziert.