Donnerstag, 18. Juli 2013

Protest-End Violence Against Sex Workers

Morgen wird in Städten rund um die Welt vor den Schwedischen und Türkischen Botschaften gegen Gewalt an Sexarbeiter/innen protestiert- besonders gegen die strukturelle Gewalt, welche Sexworker zur Menschen zweiter Klasse degradieren will und dadurch direkte Gewalt begünstigt. Mehr Infos dazu hier:

http://jasmineanddora.wordpress.com/

Kurzfassung von Menschenhandel Heute, worum es geht:
 
"Eve Marie, oder Jasmine Petite, wie sie sich als Sexarbeiterin nannte, eine schwedische Sexarbeiterin, Sexarbeit-Aktivistin und Board Member der schwedischen Sex Workers’ Rights Organisation Rose Alliance, wurde vor einigen Tagen von ihrem Ex-Ehemann brutal umgebracht. Sie lag im jahrelangen Streit um das Sorgerecht mit ihm über die gemeinsamen Kinder. Das Sorgerecht wurde durch die Behörden dem gewalttätigen Ehemann zugesprochen, da sie als Sexarbeiterin als nicht geeignet galt. Obwohl sie wiederholt versucht haben soll, Anzeige wegen häuslicher Gewalt und Übergriffen gegen ihn zu erstatten, habe man ihre Hilferufe ignoriert – sie sei ja schließlich eine Sexarbeiterin. 
Dora, eine transsexuelle Sexarbeiterin wurde in der Türkei ermordet. Berichten zufolge handelt es sich um ein weiteres, trauriges Anzeichen für die zunehmende transphobe Gewalt in der Türkei. LGBT-Organisation, darunter auch Transgender Europe, fordern einen stärkeren Eingriff gegen transphobe Gewalt, die manche mit einem “Massaker” vergleichen."

Samstag, 13. Juli 2013

Weshalb Kundenbestrafung für Sexarbeiterinnen schädlich ist.

In Diskussionen um die Kriminalisierung des Kaufs sexueller Dienstleistungen wird oft eingewendet, dass Sexarbeiterinnen (denn um männliche geht es so gut wie nie)  dadurch weniger Schutz haben und weiter "in den Untergrund" getrieben werden. Vielen Befürwortern solcher Regelungen scheint nicht klar zu sein was damit gemeint ist, deshalb möchte ich hier näher darauf eingehen.

Wenn man annimmt dass die Polizei das Verbot tatsächlich durchsetzen will, wird sie versuchen möglichst viele Kunden zu erwischen. Dies geht natürlich am einfachsten, indem man Sexarbeiterinnen ausfindig macht und sie regelmässig bei ihrer Arbeit stört. Sexarbeiterinnen sind auf ihr Einkommen angewiesen. Wenn nun eine Sexarbeiterin vergewaltigt oder sonst wie von Kunden misshandelt wird, wird sie es ich gut überlegen zur Polizei zu gehen,
denn dann gerät sie auf den Radar der Sittenpolizei. Sie muss in erster Linie um ihr Einkommen und ihre Ruhe fürchten, aber auch um ihre Kinder, denn die Jugendschutzbehörden Schwedens sehen gar nicht gerne sexarbeitende Mütter. Auch ihr Partner steht unter dem Verdacht ein Zuhälter zu sein. Vielleicht wird sie sogar auf die Strasse gestellt, denn eine Sexarbeiterin zu beherbergen kann u.U. als Zuhälterei gelten.

Die halbe Kriminalisierung stigmatisiert auch die "straflose" Anbieterin, oder zumindest wird die ent-stigmatisierung weitgehend verhindert. Sexarbeiterinnen werden weiterhin wie Kriminelle behandelt, auch wenn sie nicht mit Gefängnis oder Busse bedroht sind.

Hier ein Beispiel dafür wie Sexarbeiterinnen in Schweden behandelt werden, mit einem besonders traurigen Ausgang:

"Our board member, fierce activist and friend Petite Jasmine got brutually murdered yesterday (11 July 2013). Several years ago she lost custody of her children as she was considered to be an unfit parent due to being a sex worker. The children were placed with their father regardless of him being abusive towards Jasmine. They told her she didn't know what was good for her and that she was "romantisizing" prostitution, they said she lacked insight and didn't realise sex work was a form of self-harm. He threatened and stalked her on numerous occations, she was never offered any protection. She fought the system through four trials and had finally started seeing her children again. Yesterday the father of her children killed her. She always said "Even if I can't get my kids back I will make sure this never happens to any other sex worker". We will continue her fight. Justice for Jasmine!" (Meldung der Sexworker-Vereinigung Rose Alliance)
 
 
"Those opposed to sex work have constructed a narrative that only allows sex workers to parrot theory, be good little puppets who trot out the party line like defendants at a Stalin era Russianshow trial and then the doors of rape crisis centers, domestic refuges and conferences open wide to you. Dare to say no, I have choices and I choose sex work, but this bad thing happened to me because bad things can happen to anyone and you are “romantacising sex work”
 
 
Dies ist gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie "unperfekten Opfern" kein Schutz gewährt wird. Um geschützt zu werden, muss man eine reuige Sünderin sein- nur diesmal uminterpretiert in ein reuiges Opfer.
 
Weiterhin sind Sexarbeiterinnen massiver Belästigung durch Polizisten ausgesetzt. Hier ein früher schonmal verlinkter Artikel, nach dem eine Sexarbeiterin in Schweden von ihrer Schule verbannt wurde, weil sie zu ihrer Arbeit stand. Maggie McNeills Kommentar dazu:
 
"Swedish “feminists” pretend to care so very much for sex workers that they’re willing to destroy our lives to “save” us from imaginary “degradation”; selling sex is not illegal, but if a sex worker dares to speak openly about her choice she will be punished in many ways other than imprisonment, such as by expulsion, eviction, police harassment and more."

Nachtrag vom 16.7.2013: Noch ein wichtiger Punkt den ich vergessen habe ist, dass die Kundenkriminalisierung meistens mit einem Bordellverbot einhergeht- d.h. mehr als eine arbeitende Frau pro Wohnung ist für die Mieterin strafbar. Eine Sexarbeiterin kann als "Zuhälterin" bestraft werden, falls sie ihre Arbeitswohnung an Kolleginnen untervermietet. Dies verhindert, dass Sexarbeiterinnen sich zusammentun, um gemeinsam sicherer und mit weniger Fixkosten arbeiten zu können.


Hier ein Interview mit der schwedischen Sexarbeiterin Pye Jacobsson zur Einstellung der Behörden gegenüber Sexarbeiterinnen: We want to save you! And if you don't appreciate it, we will punish you.

Bericht einer finnischen Sexarbeiterin, wie sie bei ihrer Geschäftsreise in Norwegen (wo auch Freierbestrafung herrscht) behandelt wurde: http://www.sexwork.net/forum/showthread.php?t=117523

Feminist Ire dazu:

Prohibitionist campaigners…portray Sweden’s stance on sex work as progressive, and assert that sex workers themselves are not targeted (…) They’re painted as victims to be pitied and rescued (…) but as with religion-cloaked homophobia, this distinction makes little difference to those on the receiving end (…) Police stake out sex workers’ homes and workplaces, clandestinely film them, and subject them to invasive searches.  Sex workers are often forced to testify in court, but have the rights of neither victim nor accused.

Kritikpunkte von Soziologin Laura Augustin zur staatlichen Evaluation der Kundenbestrafung in Schweden, welche schwerwiegende methodologische Fehler aufweist (es standen z.B. gar keine Daten zur Verfügung, um einen wirklichen Vergleich zwischen der Situation vor- und nach der Einführung vorzunehmen)  und das Gesetz trotzdem als einen "Erfolg" wertet.

Weitere Auswirkung von Kundenbestrafung, vom Center for Human Rights and Humanitarian Law:

"Sex workers report that criminalization of clients in Sweden has reinforced and increased the social
stigma about prostitution (Skarhed 2010, 34; Dodillet and Östergren 2011, 21). (...)
The Report (Anm.: Evaluierung der Kundenbestrafung durch den Staat) declares that the negative effects of stigma due to the law "must be viewed as positive from the perspective that the purpose of the law is indeed to combat prostitution" (Skarhed 2010, 34, emphasis supplied). In other words, the many harms of social stigma are, in fact, a positive outcome of the law because stigma may push women into other forms of work.

Nach der Logik der schwedischen Behörden ist also alles, was Sexarbeiterinnen Leid zufügt, "positiv" zu bewerten.

Dienstag, 9. Juli 2013

Sexarbeit als Gipfel der Selbstbestimmung

Ich habe nun schon öfter in der Netzwelt Beiträge gesehen, in denen der Mädchenmannschaft und einzelnen feministisch inspirierten Artikeln unterstellt wird, Sexarbeit als "Gipfel der Selbstbestimmung" darzustellen und sich einseitig mit "privilegierten" Sexarbeiterinnen zu befassen. Solche Vorwürfe lassen sich für mich nur dadurch erklären, dass man sich überhaupt nicht mit den Inhalten dieser Artikel befasst hat.

Ich möchte dafür die Beiträge zum Thema Sexarbeit anschauen, welche bei der Mädchenmannschaft im den letzten Jahren publiziert wurden- in der Hoffnung, dass dieser Artikel von wie oben kommentierenden Personen tatsächlich gelesen wird, anstatt nach dem Ausdruck "Sexarbeit" an Stelle von "Zwangsprostitutionausbeutungzwang" mental abzuschalten.

Die letzten Beiträge waren vor allem Verlinkungen zu diesen Kritiken am Spiegel-Artikel "Bordell Deutschland": http://courtisane.de/blog/?p=659
http://menschenhandelheute.net/2013/05/28/bordell-deutschland-journalismus-auf-lucke/

Ist es falsch, eine Sexarbeiterin zu Wort kommen zu lassen, wenn sie ihren Job mag? Deutet man damit an, alle Sexarbeiterinnen würden ihren Job aus purem Vergnügen machen? Ignoriert man Ausbeutung, wenn man unsachliche Artikel kritisiert?

In diesem Artikel geht es um Victim Blaming:
http://maedchenmannschaft.net/solidaritaet-und-unterstuetzung-auch-fuer-unperfekte-opfer/

"Sind sie Opfer von Menschenhandel geworden, gelten sie als „unschuldig“ und Hilfe ihnen gegenüber als moralische Pflicht. Haben sie sich jedoch scheinbar „freiwillig“ für die Sexarbeit entschieden (so freiwillig, wie Lohnarbeit eben sein kann), gilt ihr Lage als „selbst-“ oder zumindest „mitverschuldet“

Hier geht es um verschiedene Positionen zum Thema Sexarbeit:
http://maedchenmannschaft.net/sex-arbeitende-muetter/

"Wenn die Arbeitsbedingungen allein von Kapitalismus und Ausbeutung geprägt sind, ist die Arbeit wohl kaum selbstbestimmt und empowering. In anderen Kontexten jedoch ist sicherlich eine freie und befriedigende Arbeit möglich. Ich schliesse also mit einer Banalität: Sex-Arbeit ist nicht gleich Sex-Arbeit und sollte, wie alles, differenziert betrachtet werden."

Hier wird eine Kampagne, welche Menschenhandelsopfer zur sexuellen Ausbeutung als verpackte Fleischwaren darstellt, kritisiert:
http://maedchenmannschaft.net/frischfleisch-gegen-frauenhandel/

Hier wird gezeigt, dass Sexarbeiter/innen selbständig handelnde Individuen sind, welche für ihre Rechte eintreten können und denen man zuhören muss:
http://maedchenmannschaft.net/nicht-nur-opfer-sexarbeiter_innen/ ...bedeutet dies, dass es keinerlei Probleme in der Sexarbeit gibt, alles supidupi?

In diesem Artikel geht es um ein sexistisches Geschäftsumfeld, in welchem die Mitarbeiter mit Sexdienstleistungen belohnt werden: http://maedchenmannschaft.net/wenn-herr-kaiser-und-seine-freunde-mal-so-richtig-feiern/

Ich kann bei bestem Willen nicht erkennen, wo hier Prostitution durch eine rosa Brille gesehen wird.

Anzuerkennen, dass es nicht nur alle paar Lichtjahre Sexarbeiterinnen gibt die mit ihrem Job zufrieden sind, bedeutet nicht, Missstände zu ignorieren. Im Gegenteil- dadurch, dass positive Beispiele aufgezeigt werden, wird klar, dass schlechte Arbeitsbedingungen und Gewalt für Sexarbeiterinnen keinesweg zwangsläufiger Berufsalltag ist. Es gibt Alternativen zwischen (evtl. erzwungenem) Ausstieg/Armut und der Inkaufnahme von Ausbeutung- Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen sind möglich. Zyniker/innen sagen nun, dass es für Sexarbeiterinnen keine Rolle spielt, ob arbeitsrechtliche Mindeststandards eingehalten werden und die Kunden respektvoll oder übergriffig sind, da Sexarbeit in jedem Fall eine Art Vergewaltigung darstellt. Diese Sicht ist nicht nur falsch- natürlich spielt es für uns eine Rolle, wie wir behandelt werden, ob privilegiert oder nicht- sondern auch schädigend, da das Vorurteil reproduziert wird, man könne Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, durch die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung kaufen. Schliesslich willigt sie ein, "vergewaltigt" zu werden- was spielt es denn da noch für eine Rolle, ob man ihre Grenzen respektiert und sie freundlich behandelt?

Missstände in der Sexarbeit müssen angesprochen und bekämpft werden. Dafür ist es jedoch nicht notwendig, Sexarbeiterinnen in prekären Situationen als durchwegs hilflose, naive Opfer, die "innerlich tot" sind und deshalb keine Entscheidungen treffen können, darzustellen. Eine solche Darstellung reproduziert nur die Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen, und übt Druck auf sie aus, Missstände zu verschweigen, um in der Öffentlichkeit nicht als Opfer bevormundet zu werden. Die Realität ist wohl, dass viele Sexarbeiterinnen aufgrund von begrenzten Optionen dieser Tätigkeit nachgehen und unter finanziellem Druck stehen. Dies bedeutet nicht, dass sie nicht rational handelnde Individuen sind, welche die bestmögliche Option für sich auswählen- auch wenn diese Option alles andere als ideal sein mag. Sexarbeiterinnen agency zuzugestehen bedeutet nicht, Sexarbeit als Gipfel der Selbstbestimmung darzustellen.

In der Diskussion um Sexarbeit werden oft zwei unterschiedliche Fragen miteinander vermischt- einerseits, ob Sexarbeit legitim ist, andererseits ob Prostituierte Spass an ihrem Job haben. Die finanzielle Motivation der meisten Sexarbeiterinnen wird manchmal als Vorwand genommen, um ihnen selbständiges Handeln abzusprechen und die Bekämpfung von Prostitution zu fordern. Man kann Sexarbeit natürlich aus der Perspektive kritisieren, dass etwas, das man idealerweise aus purer Lust macht, hier als (oft einseitige) Geld-gegen-Sex Transaktion vorgenommen wird. Wenn es jedoch darum geht, was Sexarbeiterinnen wollen und brauchen, wie man sie behandelt und bewertet, dann sollte man nicht aus dem Utopia herab argumentieren, sondern aus der Realität. Diese Realität beinhaltet Wohlstandsgefälle zwischen Staaten, demographischen Schichten und Geschlechtern, und Menschen, die versuchen aus ihrer zum Teil prekären Situation das Beste zu machen. Sie sollten dafür nicht bemitleidet und stigmatisiert, sondern anerkannt und, soweit erwünscht, unterstützt werden. Sexarbeit zu verteufeln nützt gerade denjenigen Personen, welche aufgrund von finanzieller Not kaum Verhandlungsmacht haben, am allerwenigsten.